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DIE NEUZEIT


Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Wunsch nach einem Instrument, das leicht transportierbar ist und mit dem man unter Verwendung weniger Akkorde – die aus Grifftabellen abgelesen wurden - Lieder begleiten konnte.  Aus diesem Wunsch entstand eine fast unheimlich Menge an Nachfragen nach sechssaitigen Gitarren in ungenügender Qualität;  keine Chöre, nur Metallbünde und das war es. Gleich so entstand ein bürgerliches Liedergut, was sich zumeist an drei Akkorde orientierte, poetischen Texten, zu denen sich fast jeder berufen fühlte und die in billigen Drucken den Markt überfluteten.

Verbunden mit einer weniger schmeichelhaften Wald- und Wiesenphilosophie eroberte dieses Instrument ganz Europa und darüber hinaus. Findige Instrumentenbauer sprangen auf diesen Trend auf und  besannen sich auch auf die alten Lauteninstrumente, die nun als sechssaitiger Abklatsch mit ausgekerbten Griffbrettern und mit bunten Bändern verziert das unechte Milieu der sogenannten Jugend – und Volksmusik bestimmte.  Niemand konnte vorrausehen, dass dieser Trend sich weltweit fortsetzen würde und sich etwa 150 Jahre später zu einer gewaltigen und umfassenden Bewegung entwickeln würde.

Es war Walter Gerwig (1899-1966), der aus der Jugendbewegung heraustrat und sich mit aufopfernder Hingabe um die Laute und ihre Wiedergeburt bemühte  und für eine allmähliche Neueinsetzung des Lautenspiels sorgte. Er besetzte eine Dozentur an der Berliner Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik, später bekam er einen Lehrauftrag an der Hochschule Köln und unternahm  ausführliche Konzertreisen durch Deutschland.

Mehrere Schallplatten wurden produziert und 1965, ein Jahr vor seinem Tod wurde ihm der Schallplattenpreis für seine Einspielung der G-Moll Suite Johann Sebastian Bachs (BWV 995) verliehen. Der Lautenbauer Hans Jordan wurde von W.Gerwig inspiriert und entwickelte Renaissance- und Barocklauten, die  zu jener Zeit sehr gefragt waren. Walter Gerwig ist der Einzige,  die Lichtfigur, der wir diese Wiederbelebung zu verdanken haben und kritische Anmerkungen, dass zu jener Zeit noch nicht die richtigen Spieltechniken (Daumenunter etc.) benutzt wurden und das Tabulaturen und historische Drucke zu wenig genutzt wurden verlieren ihre Bedeutung, wenn man die Umstände richtig erfasst.

Allein sein Verdienst ist es, das es heute wieder Lautenspieler von ausgezeichnetem Niveau gibt. Nur leider vergessen so viele in diesem  Zusammenhang wo ihre wahren Wurzeln zu finden sind, eine Tatsache, die nicht selten zu Irrtümern führt. Zu seinen hervoragenden Schülern gehören: Eugen Müller-Dombois, Michael Schäffer, Eike Funck,  Kristian Gerwig u.a. Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass die historischen Spieltechniken zwischen Renaissancelaute und Barocklaute grundlegend unterschiedlich sind(sic). Immer wieder zeigen sich Missverständnisse auf, selbst an einigen Hochschulen kommen diese Irrtümer leider immer noch vor.

Eine weitere Persönlichkeit besetzt eine hervorragende Stelle in der Wiederbelebung der Laute und ihrer Musik. Es handelt sich um den ausgezeichneten englischen Gitarristen Julian Bream (+1933), der mit seiner hervorragenden Technik seine Zuhörer faszinierte.

Leider können wir an dieser Stelle nicht auf die historische Bedeutung der Laute in England eingehen, ein Land, das im Gegensatz zu Deutschland seine musikalischen Wurzeln hinsichtlich des Lautenspiels nie vergessen hat. Die äußerst interessante Geschichte der englischen Lautenmusik und ihrer großen Vertreter bedarf einer eigenständigen Untersuchung und Arbeit.

J. Bream nutzte einen ganz anderen Ansatz als Gerwig um die Laute wieder konzertreif zu machen. Es ging ihm darum, die Laute neu zu gestalten und ihre Lautstärke anzuheben und sie in den höheren Lagen besser spielbar zu machen. So ersetzte er die Naturdarmbünde durch fest eingesetzte Metallbünde. Auf diesem Instrument spielte er in der modernen typischen Nageltechnik mit angelegtem Wechselschlag. Die oberen 3 Chöre ersetzte er durch Einzelsaiten, was den Klang erheblich veränderte oder besser verfälschte.

Er gab selbst zu, kein Lautenist zu sein; trotzdem hat er sehr viel für die Laute getan. England hat aufgrund seiner historischen Wurzeln immer eine ganz besondere Beziehung zur Laute und Lautenmusik gehabt und Bream wurde  begeistert angenommen und erwarb im Laufe der Zeit eine weltweite Anerkennung. Walter Gerwig und Julian Bream waren die grossen Vorläufer einer erneuten Bewegung, die Lautenisten wie Paul O’Dette und Hopkinson Smith, Robert Barto u. a. hervorbrachte.

Auch der Lautenbau ging neue Wege. Heute werden Lauten in der „leichten Bauweise“ bevorzugt. Diese Instrumente sind durchaus in der Lage in den größeren Konzertsälen, Kirchen, Klöstern etc. deutlich hörbar zu sein. So konzertiere ich ohne Übertragungstechnik  häufiger in Kirchen, die mehr als 800 Personen fassen, wobei die gespielten Lauten akustisch und im musikalischem Ausdruck hervorragend wahrzunehmen sind. Historisch belegte Anschlagstechniken runden das heutige Lautenspiel harmonisch ab.


(c) Copyright August 2009 by Sigurd Schmidt, Kap Arkona- Rügen, August 2010